Retrospektiven als Teil kontinuierlicher Teamentwicklung

Retrospektiven sind ein Trend, der immer mehr Beachtung findet – nicht nur in der IT! In den letzten Jahren bin ich immer häufiger auch außerhalb meiner IT-Projekte mit Retrospektiven in Kontakt gekommen, wie bspw. in Vereinen, Fitnessstudios oder im Personalmanagement. Viele bringen Retrospektiven mit kontinuierlicher Teamentwicklung, Feedback, Förderung effektiver Zusammenarbeit, Konfliktbewältigung, Verbesserungspotentiale erkennen oder lernenden Organisationen in Verbindung.

Was ist eine Retrospektive?

Eine Retrospektive ist ein Meeting aus dem Bereich der agilen Vorgehensmodelle (Beispielsweise Scrum), welches in einem zeitlichen Rahmen von 45 Min bis 3 Stunden abgehalten wird. Das Ereignis findet in der Regel in einem Abstand von 1-4 Wochen statt, kann jedoch bspw. auch für Quartals- oder Jahresrückblicke im Sinne des Lessons Learned eingesetzt werden.

Der Sinn und Zweck besteht darin, dass das Team in einem geschützten Raum über seine

  • Strukturen & Prozesse
  • die Zusammenarbeit & Weiterentwicklung
  • Qualität der Lieferergebnisse

reflektiert, um sowohl aus Fehlern wie aus positiven Geschehnissen zu lernen. Ein wichtiger Bestandteil hierbei ist, dass kontinuierliche Ableiten und Umsetzen von Maßnahmen, welches einen stetigen Verbesserungsprozess mit sich bringt und die Weichen für den Projekterfolg stellt. Der Austausch von gemachten Erfahrungen bildet die Basis für ein besseres Teamklima und der Dynamik, in dem was ein Team tut.

Wie ist eine Retrospektive aufgebaut?

Der klassische Aufbau besteht aus fünf Komponenten: Gesprächsklima schaffen, Themen sammeln, Einsichten generieren, Maßnahmen und Abschluss. Bei der ersten Retrospektive in einem neuen Team empfiehlt es sich, eine zusätzliche Komponente “Spielregeln für die Retro” mit allen Teammitgliedern zu Beginn zu definieren. 

Spielregel für die Retro: Retrospektiven setzten eine offene, respektvolle, vetrauensvolle und ehrliche Aussprache voraus. Hierfür müssen gewisse Grundregeln vom Team festgelegt und eingehalten werden. Dabei ist Sorge zu tragen, dass das Ziel bzw. die Verbesserung des Projekterfolgs im Vordergrund steht. Beispiele für Regeln sind: 

  • Kein Fingerpointing!
  • “What happens in Vegas, stays in Vegas!”
  • Wir sind der Überzeugung, dass jeder zu jedem Zeitpunkt sein Bestes gibt!
  • Respektiert den Lernprozess der anderen! (da jeder eine unterschiedlich schnelle Auffassungsgabe hat)

1. Gesprächsklima schaffen: Begrüßung und eine kurze Übung (10-15 Min) zum Einstieg, welche eine entspannte Umgebung und Abstand zur täglichen Arbeit schaffen soll. Ice Breaker, Setting the Scene oder Team Building Games kommen hierbei oft zum Einsatz. Tipp: Wähle etwas, an dem das Team Spaß hat und die Stimmung auflockert. Generell zieht sich die Stimmung am Anfang durch die ganze Retrospektive.

2. Themen sammeln und Priorisieren: In dieser Phase werden Themen ermittelt, die gut und schlecht gelaufen sind. Im Nachgang priorisiert das Team die Themen via solidarischer Abstimmung. Die Priorisierung ist dahingehend wichtig, da zumeist in Anbetracht der Zeit nicht alle Themen besprochen werden können.

3. Einsichten generieren: Hierbei erörtert das Team die priorisierten Themen im Detail, warum dies gut oder schlecht gelaufen sind und welche Auswirkungen dies möglicherweise haben kann.

4. (Veränderungs-) Maßnahmen: Das Team definiert, wie es in der Zukunft mit den Themen umgehen will und welche Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet werden.

5. Abschluss: Am Ende der Retro wurden viele Impulse gesammelt und es geht darum einen runden Abschluss zu schaffen. Hierbei stehen drei Aspekte im Vordergrund. Erstens soll die Verbindlichkeit der entwickelten Maßnahmen gefördert werden. Zweitens soll das Team mit einem positiven Gefühl und neuer Energie aus dem Termin starten und letzteres, soll Feedback eingeholt werden.

Der Aufbau am Beispiel der “Shopping Center Retro”

Das Beispiel soll den Aufbau einer Retrospektive mit seinen fünf Komponenten verdeutlichen. Die “Shopping Center Retro” basiert auf Teambuilding, Feedback und Spass sowie integrierter Storytelling Methode, welche sich durch die ganze Retro zieht.

Intro

Stellt Euch vor: ihr habt heute mal so richtig Lust auf eine Shopping-Tour. Ihr fahrt mit der Straßenbahn zu eurem liebsten Einkaufszentrum in die Stadt. Am Eingang befindet sich eine große Drehtür, durch welche ihr das Einkaufszentrum betretet. Beim Eintreten seht ihr euch nach links und rechts um, dabei fällt euch auf, dass heute über jedem Shop jeweils ein Gesicht eures Teamkollegen hängt.

  1. Wenn ein Teammitglied x ein Shop wäre, welcher Shop wäre dieses Teammitglied?
  2. Was wäre das Beste in diesem Shop?
  3. Was wäre zu Verbessern in diesem Shop?
Intro einer Retrospektive

Themen sammeln

Nachdem ihr euch nun jeden Shop genauer angeschaut habt und hier und da mal etwas gekauft habt, bekommt ihr Hunger. Ihr holt euch was Leckeres von der Pizzeria To-Go und setzt euch an den großen Brunnen in der Mitte des Einkaufszentrum. Beim Essen fangt ihr an über euren letzten Sprint oder Projekt zu reflektieren. Prompt zuckt Ihr euer Handy und schreibt ein bis drei #Tweets dazu. 

  1. Der Tweet kann sich hierbei auf einzelne Vorkommnisse, einen Konflikt oder auch Eigenwerbung beziehen
  2. @Nutzer
  3. # Hashtag
  4. Begrenzung der Wörter auf 140 Zeichen
Themenauflistung in einer Retrospektive

Nachdem ihr den Tweet abgesetzt habt, liked ihr max. zwei Tweets. Diese können eure eigenen oder fremde Tweets sein. Das Liken könnt ihr beispielsweise mittels Buchstaben, Malfunktion oder Symbolen durchführen.

Einsichten generieren

Nachdem ihr mit dem Essen fertig seid, habt ihr noch Lust auf etwas Süßes. Hierbei kommt euch der holländische Waffelladen ganz gelegen. Beim Anstellen in die Schlange vibriert eure Hosentasche. Ihr zuckt euer Handy und merkt das eure Teamkollegen die top gelikten #Tweets gerade #retweetet haben. Da ihr noch etwas Zeit habt, bis ihr an der Reihe seid, tut ihr es ihnen gleich. 

Einsicht generieren bei einer Retrospektive bei der esentri AG

Maßnahmen

Ihr habt es geschafft! Ihr seid an der Reihe und könnt euch nun eine Waffel eurer Wahl aussuchen. Beim Essen eurer Waffel stellt ihr fest, dass durch das Retweeten hitzige Diskussionen aber auch einige Verbesserungsvorschläge für die jeweiligen Tweets entstanden sind. Da ihr von den Verbesserungsvorschlägen so begeistert seid, teilt ihr diese mit allen Teamkollegen und schlendert weiter gemütlich durch die Läden.

Maßnahmen bei einer Retrospektive

Abschluss

Die Uhr schlägt 16 Uhr und Eure Shopping-Tour neigt sich dem Ende. Ihr habt eine erfolgreiche Ausbeute erwirtschaftet und bewegt euch auf den Ausgang zu. Kurz bevor ihr die Drehtür erreicht, dreht ihr euch noch einmal zu dem großen Brunnen in der Mitte um. Hierbei stellt ihr euch vor, ihr könntet via eurer eigenen Fontäne den heutigen Tag bewerten. 

Abschluss einer Retrospektive

Nachdem Ihr das getan habt, dreht Ihr euch um und verlasst das Einkaufszentrum.

Fazit

Retrospektiven basieren auf der empirischen Prozesssteuerung. Dabei geht es darum, dass Wissen aus Erfahrung gewonnen wird und Entscheidungen auf Basis des Bekannten getroffen werden. Das Team wird dadurch gefördert, seine Prozesse zu verbessern und zu Hochleistungen zu kommen. Der Fokus im Team liegt immer auf dem Produkt, dass entwickelt wird.

Wichtig hierbei ist ein offener, ehrlicher und fairer Austausch mit fest definierten Spielregeln für eine sinnvolle Reflexion. Ob eine Retrospektive vor Ort oder per Remote durchgeführt wird, macht erst einmal von der Methodik her keinen großen Unterschied, da bei beiden Spielregeln und Disziplin ausschlaggebend sind. Im optimal Fall legt das Team die Spielregel zu Beginn und währenddessen fest. Der vorgesehene Ablauf sowie die speziellen Fragestellungen sollen sicherstellen, dass sich die Teammitglieder tatsächlich konstruktives Feedback geben und Wertschätzung füreinander zeigen. Nicht immer muss man sich jedoch 1 zu 1 an den Standardablauf einer Retrospektive halten, sondern kann auch individuell und an das Team angepasst entscheiden, welche Schritte sinnvoll sind. 

Ein genereller Tipp für die Vorbereitung, man sollte immer mehrere Quellen zu Rate ziehen wie beispielsweise RetromatLiberating Structuresfunretrospectives. Online Tools, welche ich gerne für die Durchführung verwende sind MiroMuralFunretro. Hierbei lasse doch deiner Kreativität einfach mal freien Lauf!

Wissen wird aus Erfahrung gewonnen! So auch in meinem nächsten Blogpost, in welchem es um Erfahrungswerte von Kollegen in Retrospektiven gehen wird!

Get creative and be part of esentri!