Fachkräftemangel in Deutschland: Herausforderungen und Lösungsstrategien für Unternehmen

In den politischen Debatten zum Arbeitsmarkt ist immer wieder vom Fachkräftemangel als Herausforderung die Rede. Bereits seit einigen Jahren beeinträchtigt dieses Phänomen Unternehmen aller Branchen und Größen und hat weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft. Der Mangel an qualifizierten Fachkräften stellt eine zentrale Hürde für Wachstum und Innovation in Deutschland dar. Doch was heißt Fachkräftemangel überhaupt? Welche Daten liegen hierzu vor? Wie sehen Lösungsstrategien zum Fachkräftemangel in Deutschland aus?

Was ist Fachkräftemangel?

Der Fachkräftemangel beschreibt eine langfristige Knappheit an gut ausgebildeten Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahl der offenen Arbeitsplätze übersteigt dabei die Zahl der verfügbaren Arbeitnehmer:innen. In dieser Situation sind mehr Arbeitsplätze zu besetzen, als Bewerber:innen vorhanden sind. Das führt zu einem Konkurrenzkampf zwischen den Unternehmen, die händeringend nach Fachkräften suchen.

 Ein Fachkräftemangel oder Fachkräfteengpass unterscheidet sich insofern vom allgemeinen Arbeitskräftemangel, dass er speziell die Qualifikationsanforderungen von Arbeitgeber:innen sowie Arbeitnehmer:innen berücksichtigt und einen längeren Zeitraum in Betracht zieht. Der Fachkräftemangel äußert sich auf verschiedene Weisen, etwa durch eine höhere Anzahl offener Stellen im Vergleich zu Bewerber:innen in bestimmten Branchen oder durch eine verlängerte Vakanzzeit, also die benötigte Zeit, um eine Stelle neu zu besetzen. Laut einer Gothaer-Studie haben 53 Prozent der deutschen KMU Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu binden.

Welche Fachkräfte fehlen in Deutschland 2024?

Zwar steuert Deutschland nach Einschätzungen ​​der Bundesagentur für Arbeit nicht auf einen flächendeckenden Fachkräftemangel zu, doch in bestimmten Branchen und Berufen fehlen bereits jetzt geeignete Fachkräfte. Besonders betroffen sind technische und handwerkliche Berufe, der IT-Sektor und das Gesundheitswesen. Aber auch Arbeitskräfte mit einem höheren Fortbildungs- oder Studienabschluss werden dringend gesucht. Vor allem  in den Gesundheits- und MINT-Berufen, wobei das Kürzel für Mathematik-, Ingenieur-, Naturwissenschaften und Technik steht. Diese Bereiche zeigen eine wachsende Abweichung zwischen dem Bedarf an Fachkräften und deren Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt. Laut einer bitkom-Studie sind in Deutschland 149.000 IT-Jobs unbesetzt. Der Mangel an IT-Fachkräften wird sich durch die demografische Entwicklung in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Politik und Unternehmen müssen schnell und massiv gegensteuern.

Fachkräftemangel: Arbeitsplätze lassen sich nicht besetzen

Was ist der Grund für den Fachkräftemangel?

In anderen Industriestaaten ist die Situation ähnlich: Unternehmen haben zunehmend Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Global Player sind dabei gleichermaßen betroffen wie mittelständische Unternehmen. Die Gründe für den Fachkräftemangel sind vielschichtig:

    Demografischer Wandel:

    In den nächsten Jahren treten die Babyboomer vermehrt in den Ruhestand, was in Industrienationen wie Deutschland den demografischen Wandel beschleunigt und eine Überalterung der Gesellschaft nach sich zieht. Aufgrund der abnehmenden Geburtenraten in den letzten Jahrzehnten rückt der fachliche Nachwuchs in geringerem Ausmaß nach, was zu Fachkräftemangel und Arbeitsmarktengpässen führt. Laut dem Statistischen Bundesamt wird die Zahl der erwerbsfähigen Menschen bis 2040 auf 53,4 Millionen sinken. Dies unterstreicht umso mehr die Notwendigkeit, effektive Lösungen für die Aufrechterhaltung der Arbeitsmarktstabilität zu finden.

    Fehlende Nachfolge:

    Oft fehlt der passende Nachwuchs, wenn Geschäftsführer:innen von mittelständischen Unternehmen in den Ruhestand gehen und Nachfolger:innen für das Management gesucht werden. Gerade in der Industrie und im verarbeitenden Gewerbe haben Unternehmen häufig Schwierigkeiten, vakante Stellen im Top-Management auf C-Level-Niveau mit geeigneten Führungskräften zu besetzen.

      Bildung und Qualifikation:

      Eine Diskrepanz zwischen den Anforderungen der Arbeitswelt und den Qualifikationen der Arbeitskräfte ist ein weiterer Faktor. Das Bildungssystem liefert oft nicht genügend Absolvent:innen in gefragten Bereichen wie Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik (MINT) oder spezialisierten Handwerksberufen.

          Technologischer Wandel und Digitalisierung:

          Die rasante Entwicklung der Technologie und die Digitalisierung verändern die Anforderungen an Arbeitskräfte. Es gibt eine wachsende Nachfrage nach Fachkräften mit spezifischen digitalen Kompetenzen, die oft schneller wächst, als das Bildungssystem und die Arbeitsmarktstrukturen darauf reagieren können.

                Wirtschaftliche Veränderungen:

                Wirtschaftswachstum und die Expansion bestimmter Sektoren können ebenfalls zu Fachkräftemangel führen, insbesondere wenn die Arbeitsnachfrage in spezialisierten Bereichen schneller wächst als das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften.

                  Internationale Konkurrenz:

                  In einer globalisierten Wirtschaft konkurrieren Länder um hoch qualifizierte Fachkräfte. Länder mit attraktiveren Arbeitsbedingungen, höheren Löhnen oder besserer Lebensqualität können Fachkräfte aus dem Ausland anziehen, was dort wiederum zu einem Mangel an Fachkräften führt.

                      Veränderte Arbeitnehmererwartung:

                      Die Erwartungen und Ansprüche von Arbeitskräften, insbesondere der jüngeren Generation, haben sich verändert. Viele suchen nach sinnhaften, flexiblen und ausgewogenen Arbeitsbedingungen, was nicht immer mit den Angeboten der Arbeitgeber:innen übereinstimmt.

                          Diese Gründe tragen gemeinsam zum Fachkräftemangel bei und erfordern ein mehrdimensionales Reaktionsmuster, das Bildung, Einwanderungspolitik, Arbeitsmarktreformen und Unternehmensstrategien umfasst.

                          Was passiert bei Fachkräftemangel?

                          Unter Umständen kann der Fachkräftemangel drastische Einschnitte und negative Konsequenzen für betroffene Branchen nach sich ziehen. Ist zu wenig Fachpersonal vorhanden, können Aufträge nicht angenommen werden, was langfristig zu Umsatzeinbußen führt. Um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Arbeitgeber:innen außerdem die steigenden Kosten für vorhandene Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt hinnehmen. Hier sind einige weitere wesentliche Folgen:

                            • Eingeschränktes Wirtschaftswachstum:

                              Ohne ausreichend qualifizierte Mitarbeitende können Unternehmen ihre Kapazitäten nicht voll ausschöpfen. Dies führt zu reduziertem Wachstum und geringerer Produktivität, was sich wiederum auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum auswirkt.

                            • Erhöhte Arbeitsbelastung für bestehende Belegschaft:

                              Bestehende Mitarbeitende müssen oft die zusätzliche Arbeitslast kompensieren, was zu Überarbeitung und Stress führen kann. Daraus resultieren Unzufriedenheit und erhöhte Fluktuation.

                            • Verzögerung oder Verlust von Geschäftsmöglichkeiten:

                              Unternehmen können gezwungen sein, Aufträge abzulehnen oder Projekte zu verzögern, weil ihnen die nötigen Fachkräfte fehlen. Dies kann insbesondere kleine und mittlere Unternehmen hart treffen.

                            • Höhere Personalkosten:

                              Durch den „War for Talents“ müssen Unternehmen höhere Löhne bieten, um qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten. Dies erhöht die Betriebskosten und kann die Profitabilität beeinträchtigen.

                            • Innovation und Wettbewerbsfähigkeit leiden:

                              Der Fachkräftemangel kann auch die Innovationsfähigkeit von Unternehmen einschränken. Neue Ideen, Produkte und Dienstleistungen entstehen oft durch qualifizierte und kreative Mitarbeitende.

                            • Auswirkungen auf die Qualität:

                              Ein Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden kann sich negativ auf die Qualität der Arbeit auswirken, was wiederum die Kundenzufriedenheit und das Unternehmensimage beeinträchtigt.

                            • Abhängigkeit von externen Dienstleistern:

                              Unternehmen könnten zunehmend auf externe Dienstleister, Freelancer oder Zeitarbeitskräfte angewiesen sein, um den Mangel an eigenen Fachkräften auszugleichen. Dies erhöht die Betriebskosten und verringert die Kontrolle über Projekte und Prozesse.

                            Fachkräfte sind ein wesentlicher Faktor, der das nachhaltige Wirtschaftswachstum ermöglicht. Daher ist es sinnvoll, dieser Entwicklung vorzubeugen und mit gezielten Maßnahmen gegenzusteuern. Es erfordert eine strategische Reaktion von Unternehmen und politischen Entscheidungsträger:innen, um den Fachkräftemangel zu bewältigen und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern​.

                            Es bestehen diverse Ansätze und Szenarien, die dazu beitragen können, die Lücke zwischen dem Fachkräfte-Bedarf und dem Fachkräfte-Angebot zu reduzieren oder sogar vollständig zu schließen. Eine wirksame Maßnahme wäre beispielsweise der Anstoß einer umfangreichen Bildungskampagne, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gezielt auf die Herausforderungen einer digitalisierten Berufswelt vorbereitet und ihnen die notwendigen Qualifikationen für das Zeitalter der Digitalisierung vermittelt.

                            Die Exzellenzinitiative Berufliche Bildung des Bundesministerium für Bildung und Forschung ist dafür ein wichtiger Baustein. Sie soll gezielte Impulse für den notwendigen Attraktivitäts- und Modernitätsschub in der beruflichen Bildung geben und damit einen Beitrag zum erforderlichen Wandel der gesellschaftlichen Wertschätzung leisten. 

                            Im Folgenden haben wir weitere Maßnahmen gegen den Mangel an Fachkräften aufgelistet:

                            • Ausbildung und Weiterbildung fördern:

                              Unternehmen können durch Investitionen in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden dazu beitragen, das Qualifikationsniveau zu erhöhen. Dies umfasst sowohl die interne Fortbildung als auch die Unterstützung externer Weiterbildungsmaßnahmen

                            • Mit Strategie handeln:

                              Unternehmen können durch gezieltes Employer Branding, innovative Recruiting-Strategien und eine intensive Personalentwicklung dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

                            • Attraktivität der Arbeitsplätze steigern:

                              Unternehmen können sich Tatenlosigkeit beim Thema Arbeitgeberattraktivität nicht mehr leisten. Das bestätigen auch die Gothaer-Studienergebnisse. Durch attraktive Arbeitsbedingungen wie Homeoffice, flexible Arbeitszeiten, ausgewogene Work-Life-Balance, gute Bezahlung und zusätzliche Leistungen können Unternehmen mehr Fachkräfte anziehen und halten.

                            • Förderung von Diversität und Inklusion:

                              Die Erweiterung des Bewerberpools durch eine inklusive Personalpolitik, die Vielfalt fördert und Personen aus unterschiedlichen Hintergründen einschließt, kann helfen, den Fachkräftemangel zu verringern.

                            • Einsatz von Technologie und Digitalisierung:

                              Technologie kann genutzt werden, um Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten und Aufgaben zu automatisieren, wodurch der Bedarf an manueller Arbeit reduziert wird.

                            • Anwerbung und Integration von ausländischen Fachkräften:

                              Eine gezielte Einwanderungspolitik, die qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland anzieht, kann helfen, den Fachkräftemangel zu mildern. Dies schließt die Schaffung von Anreizen für Zuwanderer und die Erleichterung von Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Qualifikationen ein.

                            • Anpassung des Bildungssystems:

                              Das Bildungssystem sollte stärker auf die aktuellen und zukünftigen Bedürfnisse des Arbeitsmarktes ausgerichtet werden. Dies beinhaltet die Förderung von MINT-Fächern und die Anpassung von Studiengängen sowie Ausbildungswegen an die Erfordernisse der Wirtschaft.

                            • Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Bildungseinrichtungen:

                              Partnerschaften zwischen Unternehmen und Schulen, Hochschulen sowie anderen Bildungseinrichtungen können dazu beitragen, dass Ausbildungs- und Studieninhalte praxisnah gestaltet und den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes angepasst werden.

                            • Politische Maßnahmen und Förderprogramme:

                              Die Regierung kann durch gezielte politische Maßnahmen und Förderprogramme den Fachkräftemangel adressieren. Beispiele wären Steuervergünstigungen für Unternehmen, die in Ausbildung und Weiterbildung investieren oder die Schaffung von Anreizen für bestimmte Berufsgruppen.

                            Menschen als wichtigste Ressource

                            Der Mangel an Fachkräften ist eine allgegenwärtige Herausforderung, die quer durch alle Branchen und Betriebsgrößen spürbar ist – ebenso für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das Fehlen qualifizierter Arbeitskräfte wird die Wertschöpfung und das künftige Wirtschaftswachstum in Zukunft erheblich ausbremsen. Die wichtigste Ressource der Wirtschaft sind Menschen, also die Arbeitskräfte. Ohne sie wird es zunächst heikel für Unternehmen, bis sie ihre Dienstleistungen irgendwann nicht mehr erbringen können, was letztendlich die ganze Volkswirtschaft bedroht.

                            Um die Diskrepanz zwischen dem Fachkräftebedarf und dem Fachkräfteangebot zu verringern, existieren vielfältige Strategien. Wesentliche Maßnahmen umfassen die Förderung der Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus verschiedenen Ländern, die stärkere Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt sowie die Anhebung des Renteneintrittsalters. Diese Ansätze adressieren das Problem auf einer makroökonomischen Ebene. Auf der Unternehmensebene gibt es jedoch ebenfalls zahlreiche Hebel, mit denen Arbeitgeber aktiv werden können. Ein zentraler Aspekt ist Employer Branding, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, um im Wettbewerb um Talente bestmöglich wahrgenommen zu werden.

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